Früchte und Samen aus der Ferne: Marketing-Gag „Superfood“

Der Begriff „Superfood“ wurde in den vergangenen Jahren zu einem Modewort, das vor allem die Werbung bedient. Gemeint sind in erster Linie exotische Früchte oder Samen, die von Natur aus einen hohen Gehalt an einzelnen Mikronährstoffen, Enzymen und sekundären Pflanzenstoffen aufweisen. Ebenso eint diese ein langer Transportweg und ein sehr hoher Preis.
Gesund und leistungsfähiger mit „Superfoods“, suggeriert uns die Werbung. Wer will nicht gesund und leistungsfähig sein und das ganz einfach ohne Anstrengung, einfach durch Essen? War zu Mittag keine Zeit für ein vernünftiges Essen, kein Problem, ein paar Goji-Beeren zum Dessert und alles ist im Lot. Doch die teuren Beeren aus heimischer Produktion müssen es dann doch nicht sein, man begnügt sich mit der Herkunft „Nicht EU-Landwirtschaft“ und denkt nicht weiter über Produktionsweisen in fernen Ländern und Spritzmittelrückstände nach, denn die Beere ist gesund, sie hat gesund zu sein.
Gute Marketingstrategien
Der Ernährungswissenschafter Jürgen König, Universität Wien, führt den Erfolg von Superfood auf die Unkenntnis über die Zusammensetzung von Lebensmitteln und eine gute Marketingstrategie zurück: „Und nichts anderes ist Superfood, gutes Marketing.“ Es sei immer die Frage, was man unter „brauchen“ verstehe, gibt der Wissenschafter im Gespräch mit „derStandard.at“ zu bedenken. Zu fast jedem weit her importierten Superfood gebe es eine heimische Alternative, doch einige dieser Lebensmittel seien schlicht aus der Mode gekommen, ergänzt der Wissenschafter.
„Schwarzbuch Superfood“
Die Autoren des Buches „Schwarzbuch Superfood: Heiße Luft und wahre Helden“ (Leopold Stocker Verlag) geben zu bedenken: „Betrachtet man die Produkte der Superfood-Familie, so stammen diese meist nicht aus heimischem Anbau und legen somit lange Transportwege zurück, bis sie in unseren Regalen landen. Das kann sich auf ihre Nährstoffdichte und somit die ernährungsphysiologische Wirkung niederschlagen, ganz bestimmt aber auf den ökologischen Fußabdruck. Mit der stetigen Nachfrage an diesen Produkten steigt somit die Umweltbelastung aufgrund des langen Transports, meist gepaart mit Flächenraub sowie menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern.
Besser weil aus der Ferne?
Diese Tatsachen stehen den angepriesenen positiven gesundheitlichen Effekten gegenüber. Hierbei stellt sich die Frage, ob ‚je exotischer‘ wirklich ‚desto besser‘ ist und nicht auch in heimischen Gefilden alles wächst, was wir brachen und gut für uns ist.“
Unsere heimischen Schätze stehen weitgereisten Superfoods „inhaltlich“ um nichts nach. Beeren, Nüsse, Getreide und Pflänzchen am Wegesrand, als Unkraut verkannt, warten darauf, von uns erkannt und geschätzt zu werden.
Johannisbeere
Die schwarze Johannisbeere ist eine Vitamin-C-Bombe und muss sich vor der Goji-Beere keineswegs verstecken. Getrocknete Goji-Beeren aus dem fernen China haben in etwa so viel Vitamin C wie frische Zitronen. Die Schwarze Johannisbeere enthält mit 177 mg/100 g (Tagesbedarf 75 mg) etwa viermal so viel Vitamin C. In der Schwarzen Ribisel ist auch der Gehalt an Anthocyanen besonders hoch. Dem blauen Pflanzenfarbstoff wird eine antikanzerogene, antioxidative und antithrombotische Wirkung nachgesagt. Sie sollen auch das Entgiftungssystem der Leber anregen und Linderung bei verschiedenen Allergien, Heuschnupfen, Asthma, Bronchitis oder chronischen Entzündungen verschaffen.
Heidelbeere
Auch die Heidelbeere weist einen sehr hohen Gehalt an Anthocyanen auf. Entzündungshemmend, antikanzerogen und herzschützend solle die Heidelbeere wirken. „Bei Bewohnern eines Altersheimes beobachtete man eine Verbesserung des Erinnerungs- und Denkvermögens innerhalb von zwölf Wochen durch eine tägliche Portion (400-600ml) Heidelbeersaft.“ („Schwarzbuch Superfood, Heiße Luft und wahre Helden“, Leopold Stocker Verlag)
Walnuss
Die Königin der Nüsse: Keine andere Nuss enthält so viele Omega-3-Fettsäuren (Alpha-Linolensäure) und Antioxidantien wie die Walnuss. Ein Verzehr von 30 Gramm täglich kann Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen, die Blutfettwerte günstig beeinflussen sowie das „böse“ LDL-Cholesterin senken.
Leinsamen
Leinsamen sind die heimische Alternative zu den modernen Chiasamen. Der hohe Gehalt an Alpha-Linolensäure als auch der Ballaststoffgehalt und der Energiegehalt sind annähernd gleich. Der bedeutendste Unterschied ist der Preis: Chiasamen sind etwa viermal so teuer als Leinsamen. Leinsamen beeinflussen den Blutzucker- und Cholesterinspiegel als auch den Blutdruck positiv. Auch krebsschützende und hormonregulierende Eigenschaften werden den Leinsamen zugesprochen.
Brennnessel
Ein wahres Wunderkraut ist die Brennnessel: Sie wirkt entwässernd, entgiftend, blutdrucksenkend, entzündungshemmend, antioxidativ, immunstimulierend als auch herzschützend. Die Brennnessel enthält doppelt so viel Eisen wie Spinat und auch der Vitamin-C-Gehalt ist beachtlich: Etwa sechsmal mehr als Zitronen. Außerdem soll der hohe Gehalt an Chlorophyll die Zellregeneration verbessern und somit die Wundheilung fördern. Auch die Samenstände können verzehrt werden, z.B. geröstet im Salat oder Müsli. Sie weisen einen hohen Anteil an Carotinoiden und essentiellen Fettsäuren auf.
Dieser Artikel erschien in der Printausgabe 07/08 2018 vom 01.09.2018