Jetzt die Weichen stellen, um den Bauern ihre Zukunft zu sichern

Franz Obermayr, Mitglied des Europaparlamentes (FPÖ), zeigt sich im Gespräch mit „Der Freie Bauer“ besorgt über das geplante Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten. Vor allem die drohende Billigkonkurrenz auf dem Fleischmarkt könne zum Problem für die heimische Landwirtschaft werden. Nun sei die Politik gefordert.
Derzeit gibt es von landwirtschaftlicher Seite viel Kritik an dem geplanten EU-Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten aber auch an JEFTA. Viele Landwirte befürchten vor allem eine zunehmende Billig-Konkurrenz etwa für Rindfleisch durch das Abkommen. Glauben Sie, dass diese Gefahr besteht, oder zählt für den Konsumenten doch eher Qualität vor Preis?
Das Freihandelsabkommen mit Japan, das sogenannte JEFTA-Abkommen, sehe ich im Hinblick auf die Bedrohungen für unsere landwirtschaftlichen Produzenten weit weniger kritisch als das Abkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten. Zur Mercosur- Gruppe zählen nämlich Großproduzenten wie Brasilien und Argentinien, denen enorme zollfreie Kontingente im Bereich des Hühner-, Schweine- und Rindfleischs eingeräumt werden sollen. Allein bei Rindfleisch war zuletzt von einem Kontingent von 99.000 Tonnen die Rede! In diesen Marktsegmenten findet bereits heute ein Verdrängungswettbewerb statt, bei dem es einzig und allein auf den Preis ankommt, die aktuelle Marktentwicklung nicht nur bei uns in Österreich hat gezeigt, dass die Qualität des Fleischs allzu oft zweitrangig für die Kaufentscheidung ist, da der Verbraucher auf hohe staatliche Standards vertraut.
Dieses Vertrauen droht durch das Mercosur Abkommen beschädigt zu werden, denn insbesondere Brasilien wird regelmäßig von Skandalen erschüttert. Erst im März 2017 wurde bekannt, dass hunderte Tonnen Frischfleisch mit Gammelfleisch vermischt worden waren, Kontrolleure wurden durch regelmäßige „Zusatzeinkommen“ von 300 bis 6.000 Euro monatlich bestochen. Unsere Verbraucher dieser Gefahr auszusetzen ist unverantwortlich.
Ich fordere daher ganz klar eine erhebliche Reduzierung der an die Mercosur-Staaten zugestandenen Fleischkontingente und eine unbedingte Durchsetzung unseres Vorsorgeprinzips, was strenge Qualitätskontrollen erfordert. Nur so kann der Druck auf unsere Bauern verringert werden.
Wie bewerten Sie den derzeitigen Verhandlungsstand des Abkommens mit den Mercosur-Staaten?
Meines Erachtens sind etwa 90 Prozent des Abkommens ausverhandelt, in Bereichen wie Autos und Autoteile, den geografischen Angaben, maritimen Dienstleistungen und Milchprodukten muss noch nachverhandelt werden. Sollten diese Verhandlungen positiv verlaufen, dann könnte das Abkommen noch vor Jahresende unterzeichnet werden.
Die Landwirte befürchten, dass durch das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten, die Landwirtschaft gegen die Industrie ausgespielt werden soll. Ist der Vertragstext aus Ihrer Sicht überhaupt „reparierbar“, oder muss das Abkommen als Ganzes abgelehnt werden?
Die Mercosur-Staaten haben in den Bereichen, in denen wir Europäer stark sind, wie beispielsweise Automobile und Industriegüter, wenig zu bieten. Ihre Trumpfkarte ist einzig und allein die Landwirtschaft, und die versuchen sie natürlich auszuspielen. Zum jetzigen Zeitpunkt schon ein definitives Ja oder Nein zum Abkommen geben zu wollen wäre völlig verfrüht. Es gilt den ausverhandelten Vertragstext auf Schwachstellen zu untersuchen, die auch außerhalb der Landwirtschaft liegen können.
Halten Sie es für realistisch, dass durch Verhandlungen – wie etwa im Falle von CETA – positive Änderungen in den aktuellen Verhandlungen herbeigeführt werden?
Natürlich ist das möglich, die Verhandlungen lassen noch Spielraum. Es ist aber wichtig zu erwähnen, dass die Mercosur-Staaten in den vergangenen Monaten häufig auch ihre Forderungen an die EU unvermittelt in die Höhe getrieben haben. Das Abkommen wird seit nunmehr 20 Jahren verhandelt und die Südamerikaner wissen, dass die Europäer an einem Abschluss interessiert sind. Ob sich durch die Verhandlungen noch etwas zum Positiven verändert, wird sich in der nun bevorstehenden „heißen Phase“ der Abschlussrunden zeigen.
Dieser Artikel erschien in der Printausgabe 07/08 2018 vom 01.09.2018