Thoma: „Die Transformation der Bauwirtschaft ist überfällig“

Die Entsorgungskosten für einen modernen Ziegel sind höher, als ein Neuer kostet. Für eine Tonne dieses Sondermülls verlangt ein Entsorgungsunternehmen heute mehr als 1.000 Euro. Mit dieser Recherche sorgte der Forst- und Betriebswirt, Dr. Erwin Thoma, kürzlich für Aufsehen. „Können wir so etwas als Bausubstanz unseren Kindern und Enkelkindern hinterlassen?“, regt der Pionier des Massivholzhauses zum Nachdenken an. Im Gespräch mit „Der freie Bauer“ erklärt der vielbeschäftigte Unternehmer und Autor, was er unter zukunftsfähigem Bauen versteht.
Was ist denn das Besondere eines Thoma Holz100 Hauses?
Ein echtes Vollholzhaus erfüllt vor allem drei Ansprüche. Es ist bedingungslos GESUND, es ist vollkommen WIEDERVERWERTBAR und abfallfrei und es ist zumindest weitgehend ENERGIEAUTARK. Das erreichen wir durch konsequenten Massivholzbau, der durch mechanische Verdübelung an Stelle giftiger Verklebungen zusammengehalten wird.
Welche Ansprüche stellen Sie an den Baustoff Holz und welchen Einfluss hat der Schlägerungszeitpunkt auf das Holz?
Wir wissen von unserem Großvater aber auch aus den wissenschaftlichen Forschungen der ETH Zürich, dass im Winter bei abnehmendem Mond geerntetes Holz die besten Eigenschaften hinsichtlich Dauerhaftigkeit, also natürlicher Widerstandskraft gegen Pilz- und Insektenbefall, des verbauten Holz bietet. Das ermöglicht uns für Jahrhunderte zu bauen, ohne Holzschutzmittel einsetzen zu müssen. Alles was auf natürliche Weise gelingt, ist eben für das Leben besser. Darauf setzen wir.
Warum wurde das alte Wissen darüber Ihrer Meinung nach im letzten Jahrhundert vernachlässigt?
Das alte Wissen ging in der Nachkriegszeit Stück für Stück verloren und wurde vergessen. Erst in den 1990er-Jahren setzte eine Rückbesinnung ein und wir wurden vom Opa darauf aufmerksam gemacht, dass so ein viel gesünderes Haus für die eigenen Kinder gebaut werden kann. Später konnte das nach meinen ersten Büchern auch wissenschaftlich bestätigt werden.
In einem Ihrer zahlreichen Videos vergleichen Sie die Baukosten eines echten Holzhauses mit konventionellen Alternativen. Mit welchen Baukosten muss man für ein echtes Holzhaus rechnen und wie verändert sich die Rechnung, wenn man weitere Kostenfaktoren, wie etwa Betriebskosten, berücksichtigt?
Heute ist ein echtes Holzhaus in etwa kostengleich mit einem Haus gleicher Planung, das man sich vom Baumeister bauen lässt. Wenn man natürlich aus dem eigenen Wald Holz beistellen kann oder Eigenleistung einbringen kann, dann wird es noch günstiger. Der wesentliche Punkt ist aber, dass unsere Bauherren praktisch keine Betriebskosten für Heizung und Kühlung haben. Das integrieren wir im Holzbau und kann ganzjährig mit der Sonne vom Dach betrieben werden. Dadurch kann man sagen, dass ein echter Holzbau die kostengünstigste Lösung ist. Das natürliche Wohnklima und der Gesundheitsfaktor kommen sozusagen als Lohn für den Weg mit der Natur noch kostenlos dazu.
Dass die Entsorgungskosten für einen modernen Ziegel höher sind, als ein Neuer kostet, ist schockierend. Was würden Sie jemandem mit auf den Weg geben, der plant ein Haus zu bauen?
Nicht nur ich sage, dass eine Transformation der Bauwirtschaft überfällig ist. Nur zwei Zahlen: Die konventionelle Bauwirtschaft weltweit mit Beton, Stahl, Ziegel, Glas und allen Chemikalien ist für ca. 50 % des gesamten CO2 Ausstoßes der Menschheit verantwortlich. Und die Bauwirtschaft ist weltweit mit Abstand der größte Verursacher für die menschlichen Müllberge. Das ist nicht zukunftsfähig und vollkommen unverantwortlich.
Noch dazu wo wir alle technischen Lösungen haben, um die Bauwirtschaft von einer zerstörenden Wegwerfwirtschaft zu einer zukunftsfähigen Kreislaufwirtschaft zu verwandeln. Ganz nebenbei können dabei die Wälder der Bauern wieder eine wichtige Bedeutung bekommen und ein Stück Wertschöpfung kehrt wieder zum Ursprung zurück.