Rehwildfütterung im Winter – ein heißes Eisen, das keiner gerne angreift

Der anhaltende Schneefall im Jänner sorgte für mediale Berichterstattung über Rehwild, das vom Hungertod bedroht sei. Die Fütterung von Rehwild in der Notzeit ist aber auch in Jägerkreisen seit Jahren umstritten, obwohl im Jagdgesetz vorgeschrieben. Doch ist das Füttern von Wildtieren wirklich sinnvoll? Was spricht dafür – was dagegen?
Wildtiere sind Überlebenskünstler. Im Winter ruht die Natur und Nahrung ist nur wenig vorhanden. Die Wildtiere müssen darum Energie sparen. Mit den ersten Schneefällen wandern Rehe und Rotwild in einen störungsarmen Wintereinstand. Der Tagesrhythmus wird angepasst und reduziert. Das Schalenwild vermindert seine Aktivität auf ein Minimum. Es reduziert den Stoffwechsel, senkt seine Körpertemperatur und den Puls und passt seine Verdauungstätigkeit an.
Die im Sommer angefressenen Fettreserven helfen beim Überwintern. Schwache Stücke sterben in harten Wintern, wodurch eine Selektion stattfindet. So wäre der Kreislauf in unberührter Natur. In unserer Kulturlandschaft hingegen gibt es nur wenige Flächen, auf denen das Wild noch gänzlich ungestört ist. Bei der Abwägung des Für und Wider der Winterfütterung kann es – unabhängig von gesetzlichen Vorgaben – kein allgemeines Rezept geben.
Zu unterschiedlich sind die verschiedenen Habitate. Als Argumente für eine Rehwildfütterung werden zumeist genannt: Vermeidung von Tierleid, Verringerung von Fallwildverlusten, Verbesserung der Widerstandsfähigkeit des Wildes, Ersatz für verlorenen gegangene Winterlebensräume, räumliche Lenkung des Wildes, um etwa Aufforstungsflächen vor Verbiss zu schützen, bessere Beobachtbarkeit des Wildes, der Wunsch, jagdlich bevorzugten Wildarten in kargen Zeiten „Gutes zu tun“ und die Weiterführung des öffentlichen Bildes des Jägers als „Heger und Pfleger“.
Als Argumente gegen die Fütterung werden zumeist angeführt: künstlicher menschlicher Eingriff in ein natürliches Ökosystem und in eine natürliche Lebensgemeinschaft, Ausschalten der natürlichen Selektion, Erhaltung einer vermehrten Anzahl schwacher Tiere, Einbringen regionsfremder Futtermittel in das Ökosystem (z. B. Sesam, Soja), Abhängigmachen des Wildes vom Menschen („Verhausschweinung“), Fütterung als Revier-Egoismus, also Streben nach Trophäenmaximierung oder höheren Jagdstrecken, erhöhtes Risiko der Krankheitsübertragung durch übermäßige Wild- und Losungskonzentration an den Futterplätzen, Auslösen von Wildschäden, Auslösen von Tierleid durch Fütterungsfehler, hohe Fehleranfälligkeit der Fütterung in vielerlei Hinsicht (wie Standort, Futtermittelart, -menge und -qualität, Fütterungstechnik), hoher Aufwand bei erheblichen Risiken und begrenzten Erfolgsaussichten und nicht zuletzt die ethische Problematik, wenn Futtermittel verwendet werden, die in Entwicklungsländern Grundnahrungsmittel für die Bevölkerung darstellen.
Dieser Artikel erschien in der Printausgabe 01/02 2019 vom 08.03.2019