Pflanzenschutzmittel – Diskussion mit Emotionen versus Fakten

Hintertüren in EU-Verordnung und mangelhafte Umweltschutzstandards in Drittländern diskriminieren Bauern
Ein Landwirt kommt mit seinem Traktor an einer Straßenkreuzung zu stehen. Ein arbeitsreicher Tag liegt hinter ihm. Und dann passiert das: Ein vorbeidrängender Radfahrer sieht ihn verachtend an und hält sich dabei die Nase zu. Die Feldspritze ist der Grund seines Unmutes.
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„Gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens“, könnte man meinen. Tatsächlich nimmt das Unwissen und das Unverständnis für die Landwirtschaft in der Bevölkerung stetig zu. Während manche Kampf-Ökos den Umwelt- und Klimaschutz zu einer Religion unserer Zeit hochstilisieren und Debatten zunehmend emotionalisieren, werden Fakten in den Hintergrund gedrängt. Und so muss man sich die Frage stellen, welchem eigentlichen Zweck Institutionen dienen, die immer höhere Anforderungen an die heimische Landwirtschaft stellen, bis hin zu einem Totalverbot von Pflanzenschutzmitteln, währenddessen die Hintertüren für Importe aus Drittländern sperrangelweit offen stehen.
Pflanzenschutzmittel (PSM) sind dazu bestimmt, Kulturpflanzen vor Schadorganismen (Unkraut, Schädling, Krankheitserreger) zu schützen. Ob biologisch oder konventionell, für beide Wirtschaftsformen sind PSM zugelassen. Die Wirkstoffzulassung sowie auch das Festsetzen der Höchstgehalte an Pestizidrückständen obliegen der EU. Die Zulassung der aus den Wirkstoffen formulierten PSM ist jedoch Angelegenheit der Nationalstaaten. Daher kann es auch innereuropäisch sein, dass Pflanzen in einem Mitgliedsstaat mit einem PSM behandelt werden dürfen, das in einem anderen nicht erlaubt wäre. Die Grundlage der Zulassung bilden Bewertungsberichte und Gutachten der Experten der AGES aus den Bereichen Toxikologie, Rückstandsverhalten, Umweltverhalten und Ökotoxikologie, Wirksamkeit und Pflanzenverträglichkeit sowie physikalisch-chemische Eigenschaften. Auch organische Substanzen, welche im Biolandbau erlaubt sind, durchlaufen ein aufwändiges Zulassungsverfahren und werden ebenso von den weltgrößten Pestizidherstellern produziert, erklärt die Plattform „Land schafft Leben“.
Am 1.9.2008 wurden mit Inkrafttreten der Anhänge II, III und IV der EU-Verordnung 396/2005 die Höchstgehalte an Pestizidrückständen bei Lebens- und Futtermitteln im europäischen Wirtschaftsraum vereinheitlicht und sind somit auch für Österreich bindend. Auf internationaler Ebene existiert keine harmonisierte Vereinbarung. Für die Kontrolle der Einhaltung der Rückstände ist das jeweilige EU-Mitgliedsland zuständig. Im „Nationalen Kontrollprogramm Pestizide“ wurde für das Jahr 2017 eine Höchstwertüberschreitung von 1,9 Prozent dokumentiert. Dass Proben aus anderen EU-Ländern oder Drittstaaten (3 %) in höherem Maße betroffen sind als inländische Produkte (0,8%) kann man jedoch, auf Grund unterschiedlichen Anzahl der Proben, nicht ableiten. Unsere Lebens- und Futtermittel entsprechen, den Ergebnissen der Kontrollen zufolge, in hohem Maß den gesetzlichen Anforderungen, jedenfalls im Hinblick auf PSM-Rückstände. Listerien und Salmonellen in Lebensmitteln stellen eine weitaus größere Gefahr für die menschliche Gesundheit dar, doch diese Tatsache wird in der emotionsgesteuerten Debatte ausgeklammert.
Was wäre eine EU-Verordnung ohne Hintertürchen? Formal gelten für Importprodukte laut EU-Verordnung dieselben Vorgaben wie für Heimische. Das Hintertürchen nennt sich „Einfuhrtoleranz“. „Um den Erfordernissen des internationalen Handels gerecht zu werden“, ist in der EU-Verordnung zu lesen, können eigens für importierte Erzeugnisse Rückstandshöchstgehalte festgelegt werden. Laut dem Europäischen Pflanzenschutzverband (EPCA) können Einfuhrtoleranzen beantragt werden, wenn ein Händler, der ein Erzeugnis in die EU einführen will, das einen höheren Rückstandsgehalt aufweist. Doch auch für Erzeugnisse, die mit einer Substanz behandelt wurden, die nicht mehr oder noch nicht in der EU verwendet wird, kann durch diese Ausnahmeregelung ein Export in die EU erwirkt werden. Ganz legal! Zum Wohle des internationalen Handels! Ewald Mayr, Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft Eferdinger Landl, ließ mit einer Meldung aufhorchen. Der Erdäpfelcheck der LK NÖ habe gezeigt, dass speziell bei Erdäpfeln aus Ägypten und Israel Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden würden, die hierzulande seit Jahrzehnten verboten seien. Eine Stellungnahme der LK NÖ, um welche Mittel es sich dabei konkret handle, ist bis Redaktionsschluss ausgeblieben.
Experten geben außerdem zu bedenken, dass eine Rückstandsanalyse nichts über eine etwaige unsachgemäße Anwendung von PSM in Drittstaaten und die daraus folgenden Gefahren für die dort lebenden Menschen und die Umwelt aussage. Dass die hohen österreichischen Umweltschutz- und Sozialstandards, die einen erheblichen Kostenfaktor darstellen, bei Importprodukten nicht eingefordert werden diskriminiert heimische Produzenten. Ebenso wie eine mangelhafte Herkunftskennzeichnung, deren Verbesserung die ÖVP blockiert. Zum Wohle des internationalen Handels!