Der Obmann der Freiheitlichen Bauern Ober-österreich, LAbg. Ing. Franz Graf, erläutert im Gespräch mit dem „Freien Bauern“, wie er freiheitliche Agrarpolitik einordnet und welche Missstände dringend angegangen werden müssen, um der Landwirtschaft zu helfen.

Als Obmann der Freiheitlichen Bauernschaft OÖ haben Sie oft die GAP kritisiert. Was genau sind Ihre Kritikpunkte? Die GAP setzt auf alte nicht mehr passende Werkzeuge, wie etwa die Hektar-Förderung, egal wie groß ein Betrieb ist. Mengen-Kosteneffekte bleiben völlig unberücksichtigt. Gleichzeitig sind europäische Mindeststandards bei Umwelt oder Tierwohl für die EU Agrarpolitik nach wie vor kein Thema. Auch beim sogenannten „Green Deal“ wählt man keinen ökologischen Ansatz. Zehn Prozent oder mehr der Ackerfläche still zu legen, bedeutet doch nur, Produktionen auszulagern in Länder mit weit schlechteren Umwelt-standards. Das kann doch kein ernsthafter Plan zum Umwelt- oder Klimaschutz sein. Um aus den Erfahrungen mit der Umsetzung der letzten Reform zu lernen, wollte die EU-Kommission diesmal einen Dialog zur Modernisierung und Vereinfachung der GAP führen. Dazu konnte man über ein spezielles Formular im Internet seine Meinung äußern. Auch wenn es löblich ist, die Bürgerbeteiligung zu verbessern, führte dieses Verfahren dazu, dass sich kaum Landwirte geäußert haben, da-für aber umso mehr Aktivisten von NGOs. Solange also die Ziele der GAP mit noch mehr Rationalisierung für günstigere Verbraucherpreise festgeschrieben sind, werden „ein paar Korrekturen“ und „an manchen Schrauben etwas drehen“ nichts Wesentliches verändern.

Es fehlt das grundsätzliche Bekenntnis zur bäuerlichen Landwirtschaft, die in der Lage ist, qualitativ beste Lebensmittel zu erzeugen und lebenswerte Landschaften zu erhalten. Das funktioniert aber nur, wenn die politischen Rahmenbedingungen dabei tatsächlich unterstützend wirken. Dazu braucht es eine Besinnung auf die europäischen Stärken und neue Leitplanken für bessere Preise, eine Kennzeichnung die diesen Namen auch verdient und ein Erschweren von Importen mit schlechteren Qualitäten. Nur so wird „billig“ nicht zum Standard, sondern Qualität, im Sinne von Umwelt und Gesundheit, hat wieder eine Chance. Für den Staat ist dieser Weg unterm Strich auch günstiger.

Österreichs Landwirtschaft ist kleinstrukturiert und oft familiengeführt. Kann so eine Landwirtschaft am Weltmarkt überleben? Die brutale Ausrichtung der GAP auf „wachsen oder weichen“ lässt das auf Dauer nicht zu. Wenn vom ersten bis zum x-tausendsten Hektar gleich hohe Ausgleichszahlungen geleistet werden, passt das nicht für unsere Familienbetriebe. Schuld ist die Weltmarktstrategie der EU. Da sehe ich nicht die Zukunft für unsere Höfe, denn wir importieren uns so die niedrigen Produktprei-se. Den Binnenmarkt für die Lebensmittelproduktion und für mehr heimisches Eiweiß stärken, regionale Wirtschafts-kreisläufe und regionale Infrastruktur fördern und aufbauen – das hat Zukunft.

Welche Maßnahmen könnten den Bauern einen fairen Preis und ein wirtschaftliches Produzieren ermöglichen? Den Binnenmarkt stärken und regionale Produktionen und Märkte zulassen, wäre ein erster Erfolg versprechender Schritt. Das EU-Verbot für eine vernünftige Herkunfts-kennzeichnung ist daher der völlig falsche Weg. Da hatte der Handel offenbar die stärkere Lobby, als die Bauern. Gleichzeitig müssen kleinere Betriebe durch die verschiedensten Maßnahmen gestärkt werden. Etwa durch eine Verdoppelung der Ausgleichszahlung für die ersten 20 ha. Hier ist zu einem nicht geringen Anteil auch die Politik gefordert, wenn es darum geht, unsere landwirtschaftlichen Betriebe wirksam zu unter-stützen. Außerdem müssen wir uns endlich von der Illusion freimachen, dass unsere Landwirtschaft ernsthaft als Konkurrent am Weltmarkt auftreten könnte. Das ist eine gefährliche Vorstellung, der seit Jahrzehnten viele unserer Betrieb zum Opfer gefallen ist. Das Motto „Wachse oder weiche“ ist das Todesurteil für unsere familiäre und kleinstrukturierte Landwirtschaft. Wir müssten also unseren Binnenmarkt vor qualitativ minderwertigen Produkten schützen und gleichzeitig unsere Bauern wertschätzen.

Der Bauernbund wird von vielen Landwirten als die angestammte Interessen-vertretung wahrgenommen. Wie ist Ihre Position zum Bauernbund? Der Bauernbund verfügt über ein extrem starkes Netzwerk im ländlichen Raum, aber gibt gleichzeitig als angebliche Interessensvertretung der Bauern immer öfter klein bei – vor allem gegenüber dem ÖVP-Wirtschaftsflügel. Als Freiheitliche Bauernschaft bilden wir die Opposition gegen den Bauernbund in der Landwirtschaftskammer. Es ist daher unsere Aufgabe, Fehler und Defizite aufzuzeigen und zu kritisieren. Davon gibt es in der Agrarpolitik aktuell viel zu viele und nur eine dafür seit Jahrzehnten Verantwortung tragende Partei. Wenn sich der Bauernbund schon selbstherrlich zum „Schutzbund“ der Bauern hochstilisiert, muss er sich auch kritische Fragen gefallen lassen. Zum Beispiel wie sich ein inflationsbereinigter Einkommensrückgang von mehr als 40 Prozent in den letzten Jahren, mit einer saftigen Einheitswerterhöhung verträgt. Und bitte nicht wie-der das Märchen von „alles andere hätte eine Abschaffung des Einheitswertes bedeutet“ anstimmen. Oder die euphorische Zustimmung zu den geplanten Freihandelsabkommen. Unsere Antworten und Vorschläge liefern wir ab, wenngleich das Aufgabe der Verantwortungsträger wäre. Bis jetzt wurden diese hochmütig abgelehnt. Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall.

Andere Mitbewerber bezeichnen sich gerne als „unabhängig“. Warum ist eine Stimme für solche Gruppierungen verschenkt? Es hört sich immer sehr klangvoll an, wenn man sich „unabhängig“ nennen kann. Doch erstens ist es mit der Unabhängigkeit oft nicht weit her, wenn man sich die diversen Verflechtungen zwischen „unabhängiger“ Landwirtschafts-politik und etwa der ÖVP-do-minierten Bio Austria genauer ansieht. Und zweitens können echte Veränderungen nur in gesetzgebenden Körperschaften bewirkt werden. Deshalb muss man dort auch vertreten sein. Ohne Vertretung in Parlamenten bleibt es bei schönen Forderungen und Resolutionen, die keine Chance auf Umsetzung haben. Daher gilt auch: Je stärker wir Freiheitlichen in allen Körperschaften sind, desto mehr kommen unsere Verbesserungsvorschläge und Reformen auch in die politische Umsetzung.